Neue Musik komponieren?!

Neue Musik – zeitgenössische Musik – Gegenwartsmusik – atonale Musik?

Was ist damit überhaupt gemeint?

Gemeint ist die musikalische Entwicklung der sogenannten E-Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Der Übergang von Tonalität zu Atonalität, Neuerungen wie Dodekaphonie, Serialismus, Aleatorik, Dada, Erweiterung des Klangbegriffs auf Geräusche, Obertöne und potentiell alle Klangquellen des Alltags, rhythmische Komplexität, Spektralismus, Archaik, die Entwicklung der elektronischen Musik und ein neuer Expressionismus.

Neu meint aber auch, und dies insbesondere in dem hier gegebenen Kontext, ungehört, nicht klischeehaft, sensibel und offen für Verbindungen, Brücken zur uns real umgebenden Welt. Darüber hinaus Erfindung, Neuentdeckung aus der persönlichen Situation des Erfinders (hier Schülers) heraus. Insofern kann anhand von Beispielen illustriert werden, was schon neue Musik war. Was allerdings in der jeweiligen Konstellation zur neuen Musik wird, sollte in erster Linie auf Offenheit und Erfindungsreichtum basieren.

Der Begriff Intuitive Musik ist in Europa von Karlheinz Stockhausen (1928 – 2007) geprägt worden. Es bezeichnet eine Musik, die inneres Erleben des Interpreten hörbar machen will. Stockhausen grenzt die Intuitive Musik bewusst von dem Begriff der Improvisation ab. Bei der Improvisation greife man vorwiegend auf erfahrungsbasierte Pattern oder Muster zurück und bringe diese ins musikalische Spiel ein. Bei der Intuitiven Musik geht es Stockhausen um eine völlige Entziehung jeglicher Kategorisierung in Stile oder Formen. Anders als bei John Cage ist nicht der Moment des Zufalls Gegenstand der musikalischen Komposition. Vielmehr setzt Stockhausen die Intuition des Interpreten mit der Spielsituation und dem Werk – der verbalen Anweisung – in ein musikalisch sinnvolles Bezugssystem.

Vom Interpreten fordert die Intuitive Musik viel Sensibilität für das eigene musikalische Erleben sowie eine schnelle Reaktionsfähigkeit im Zusammenwirken mit den Mitspielenden und eine differenzierte Interpretationsfähigkeit von Vorgaben.

Intuitive Musik von Karlheinz Stockhausen bilden die Zyklen von Textkompositionen Aus den sieben Tagen (Nr. 26, 1968) und Für kommende Zeiten (Nr. 33, 1968–1970). Die Textkompositionen bestehen meist aus sehr wenigen, sehr klaren verbalen Impulsen, welche die Grundlage für die anschließende musikalische Umsetzung bilden.

Neue Musik im Unterricht

Die Erweiterung des Musikbegriffs durch die Neue Musik bietet dem Musikunterricht vor allem im Klassenmusizieren große Chancen. Da die Erzeugung von Klängen hier nicht mehr mit den Kategorien „richtig – falsch“ oder „schön – hässlich“, sondern eher mit Begriffspaaren wie z. B. „interessant – uninteressant“ oder „passend – unpassend“ beschreib- und bewertbar wird, eröffnet sie allen Musik-Lernenden einen fast voraussetzungslosen und unmittelbaren Zugang zum Musizieren. Das gemeinsame Musikmachen kann ohne Beherrschung eines Instruments oder mühevolles Einüben einer Melodie oder eines Rhythmus sofort beginnen. Beim Entwickeln eines Stückes im Sinne der Intuitiven Musik rücken Dimensionen der Musik in den Fokus, die ansonsten von den Schülerinnen und Schülern kaum erlebt werden können. Haben wir aufeinander gehört? Hatte unser Stück eine erkennbare Struktur? War ein Spannungsbogen spürbar?

Die Texte von Stockhausen bieten einerseits genügend Impulse für das Erarbeiten eines Stücks, weiterhin so konkrete Spielanweisungen und Regeln, dass deren Einhaltung beim von der Gruppe gespielten Stück auch überprüft und diskutiert werden kann, andererseits aber auch große Freiheit etwa in der Wahl der Instrumente oder der Spieleranzahl.

Die drei folgenden Modulbausteine sind in Anlehnung an die Phasen kreativer Prozesse als Unterrichtsverläufe konzipiert. Sie bilden eine mögliche Trilogie, sind jedoch in sich abgeschlossene Einheiten.